Melanie Ruff ist verkatert. Die 33-Jährige Österreicherin aus Graz hat die Nacht zuvor gefeiert. Aus gutem Grund: Denn mit ihrem Startup “Ruffboards” hat sie einen Gründerwettbewerb der Eismarke Ben & Jerry’s in London gewonnen.
Die promovierte Historikerin trägt Schlabberlook. Sie fletzt in einem Sitzsack im hippen Design-Hotel im Stadtteil Shoreditch, in das Ben & Jerry’s Sozialunternehmer aus ganz Europa geladen hat. Melanie ist glücklich, auch wegen der 10.000 Euro Preisgeld, mit denen sie nun „coole Werkzeuge“ kaufen kann, wie sie sagt. Damit wollen die Sozialunternehmer Longboards (quasi ein Skateboard in Limousinen-Ausführung) aus ausrangierten Snowboards herstellen.
Longboards mit gutem Gewissen
Mehr als hundert Stück ihrer Rollbretter konnte Ruffboards – die erst seit Januar 2014 am Markt sind – bereits verkaufen. Das besondere an den Brettern: Sie sollen Müll vermeiden und Ex-Häftlingen den Start in ein neues Leben ermöglichen.
„Ich hasse Verschwendung“, sagt Melanie Ruff. So entstand auch die Idee, Longboards aus Abfall herzustellen. „Wir wollten ein Produkt machen, dass man ohne schlechtes Gewissen konsumieren kann, und das nicht auf Kosten anderer geht.“ Das findet auch die österreichische Snowboard-Olympiasiegerin Julia Dujmovits gut, die selbst auf einen Ruffboard rollt.
Seit den 1990er-Jahren haben Geschäfte in Österreich laut Ruff eine halbe Million Snowboards verkauft. Aber was passiert mit den Brettern, wenn sie alt und kaputt sind? Sie landen auf dem Müll mitsamt den Rohstoffen, die darin stecken. Die Gründerin schätzt, dass so zwei Millionen Tonnen Abfall schon entstanden sind oder in den kommenden Jahren noch entstehen, wenn die Besitzer ihre Schneebretter ausmustern. Schon 500 Ruffboards könnten die Menge um eineinhalb Tonnen reduzieren – zwar ist das nicht viel, aber immerhin ein Anfang.
Das nötige Material für die Boards schneiden die Sozialunternehmer aus den Snowboards aus und in die gewünschte Form. Die Herstellung der Longboards sei zu 100 Prozent umweltfreundlich, sagt Ruff. Sie produzierten mit Öko-Strom und verwendeten pflanzliche Harze statt Glasfasern. Die Kosten für ein Ruffboard, immer ein Einzelstück, liegen zwischen 249 und 289 Euro.
Doch die Österreicher begnügen sich nicht damit. Sie wollen “Zero Waste”, also auch die Schnittreste komplett verwerten. Bislang stellen sie aus den Boardschnipseln Regale her oder produzieren Gürtelschnallen. „So können wir 90 Prozent eines Snowboards wiederverwerten. Für den Rest finden wir auch noch eine Lösung“.
“Jeder verdient eine zweite Chance”
Ganz besonders freut sich Ruff darüber, dass sie im Sommer den ersten festen Mitarbeiter einstellen kann, der sonst auf dem Jobmarkt keine guten Aussichten hätte. „Der Berti“, der sich federführend um die Produktion der Boards kümmern soll, ist ein Ex-Häftling. „Diese Leute finden kaum eine Anstellung”, erzählt Ruff.
Die Idee, mit ehemaligen Sträflingen zu arbeiten, hatten Ruff und ihre Mitgründerin Simone Melda, als sie mit der Produktion der Boards nicht mehr hinterherkamen. Also wandten sie sich an die gemeinnützige GmbH Neustart. Neustart gibt Haftentlassenen einen Arbeitsplatz und versucht, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Je mehr Ruffboards angefragt werden, desto mehr Menschen kann Neustart bezahlen.
„Wir fragen nicht danach, was jemand verbrochen hat, wir sind keine Juristen“, sagt Ruff. “Das erzählen uns die Menschen meist eh von sich aus.” Wenn jemand seine Haft abgesessen hat, sei das für Ruff erledigt. “Jeder verdient eine zweite Chance.“
Melanie Ruff will in Zukunft noch mehr Ex-Häftlinge wie Berti direkt bei Ruffboards einstellen. Natürlich könnten auch einmal unangenehme Situationen entstehen, etwa wenn sie wüsste, dass ein Mitarbeiter wegen Vergewaltigung verurteilt worden sei. „Das wäre schwierig für mich als Mensch. Aber als Unternehmerin mache ich keinen Unterschied. Wer einen guten Job macht, ist ein Top-Mitarbeiter.“
Die Ruffboards auf Youtube:
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