Elf Kilo, soviel wie ein Kleinkind wiegt, vertilgt der Deutsche an Schokolade pro Jahr. Die süße Sünde ist nicht nur begehrt, sie ist auch lukrativ. 2012 betrugen die Umsatzerlöse am globalen Schokoladenmarkt rund 80 Milliarden US-Dollar, 2014 könnte sich der Betrag auf 88 Milliarden Dollar erhöhen, wie das Portal Makechocolatefair errechnet hat.
Doch die Kleinbauern, die den Kakao anbauen, sehen von dem Schoko-Kuchen meist nur die Krümel: Sie verdienen weniger als sechs Prozent des Preises, den Konsumenten in Industrieländern für Schokolade bezahlen und bewegen sich mit einem Verdienst von weniger als 1,25 Dollar pro Tag an der Armutsgrenze.
Besonders schlecht geht es den Farmern in Westafrika, woher mit über 70 Prozent der Großteil des Kakaos stammt. Weil der Anbau zu wenig einbringt, um eine Familie zu ernähren, wendet sich der Nachwuchs vom Handwerk der Eltern ab. Außerdem fehlt es den Bauern an Dünger, Technik und dem Wissen, um bessere Ernten zu erzielen.
Diese Situation sorgt auch die großen Süßwaren-Hersteller. Denn ihr Geschäft hängt von der Versorgung mit dem wertvollen Rohstoff ab, den zu 90 Prozent Kleinbauern produzieren. Also haben sich Riesen wie Nestlé, Mondelez und Mars, die zusammen fast 30 Prozent der weltweiten Kakao-Ernte beziehen, zum Ziel gesetzt, die Lebensbedingungen der Farmer zu verbessern und ihnen zu helfen, mehr Kakao zu produzieren.
Weil höhere Erträge aber nicht zwangsläufig ökologisch sein müssen, wollen die Süßwarenhersteller in Deutschland den Anteil von nachhaltig erzeugtem Kakao in der deutschen Schokoladen-Produktion bis 2020 auf 50 Prozent steigern. Bislang stammen nur fünf Prozent des Kakaos auf dem Weltmarkt aus nachhaltigem Anbau, wie der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) angibt.
Wir stellen vier Ansätze vor, die helfen können, unsere Schokolade nachhaltiger zu machen:
Der Kakao der Schoko-Giganten
Mondelez International, bis 2012 Kraft Foods Inc., steht hinter Marken wie Milka, Suchard oder Toblerone. 400 Millionen US-Dollar will Mondelez im Rahmen des Cocoa Life Programms, das Kakaofarmer und Anbaugemeinschaften unterstützen soll, in den kommenden zehn Jahren investieren. Konkret soll Cocoa Life die Anzahl von Kindersklaven in den Anbaugebieten reduzieren, das Netto-Einkommen der Bauern verbessern, mehr Frauen zu Entscheidungsträgerinnen machen und die Ökosysteme schützen. Ob das tatsächlich klappt, lässt sich Mondelez extern bescheinigen: Die Harvard-Universität, die noch in diesem Jahr erste Ergebnisse präsentiert, evaluiert den Prozess.
Auch Nestlé (Cocoa Action), das seinen Kakao bis 2015 aus 100 Prozent nachhaltigem Anbau beziehen will, und Mars (Sustainability Cocoa Initiative) haben eigene Nachhaltigkeits-Programme aufgelegt. Diese Initiativen seien durchaus geeignet, Kleinbauern aus der Armut zu helfen, auch wenn noch nicht alles perfekt funktioniere, wie Beate Weiskopf vom teils staatlich, teils von der Industrie finanzierten Forum Nachhaltiger Kakao sagt.
Deutsche Schokoladen Initiative
Zum Forum Nachhaltiger Kakao haben sich Industrie, Politik und Nichtregierungsorganisationen 2012 mit dem Ziel zusammengeschlossen (hier eine Liste der Mitglieder), die Kakao-Produktion nachhaltiger zu machen. Im Rahmen des Certification Capacity Enhancement-Programms (CCE) wurden bislang 40.000 Bauern in Ghana, der Elfenbeinküste und Nigeria dabei unterstützt, ihre Produktion von den drei führenden Initiativen für Umwelt- und Sozialstandards im Kakaosektor, Fairtrade, Rainforest Alliance und UTZ Certified zertifizieren zu lassen. Mit einem Zertifikat in der Tasche steigern die Bauern ihren Marktwert und können unabhängiger wählen, mit welchem Hersteller sie zusammenarbeiten.
Ein zweites Forum-Programm namens Pro Planteur wird im Januar 2015 starten. Es soll 20.000 Kakao-Produzenten in mehr als 50 Kommunen erreichen. Ein wichtiges Ziel ist die Diversifizierung. Denn Kakao unterliegt starken Preisschwankungen. Bauern, die keine anderen Einkommensquellen haben, etwa den Anbau von Gemüse oder Bananen, kann ein Preisverfall ruinieren.
Fairtrade: Kakao direkt von der Kooperative
Bei einer Befragung der Stiftung Warentest konnten nur sechs Anbieter von Nuss-Schokolade genau sagen, woher sie ihren Kakao beziehen. Die Produkte dieser Unternehmen, darunter Gepa, Rapunzel oder Rossmann, erkennen Verbraucher an den Siegeln Fairtrade, Naturland Fair oder Rapunzel Hand-in-Hand.
Im Gegensatz zu konventionellen Herstellern, die ihre Rohstoffe über ein diffuses Netz von Zwischenhändlern beziehen, die sich preislich an der Kakaobörse orientieren, hat etwa das Unternehmen Rapunzel mit seinen Kakao-Bauern direkte Handelsbeziehungen. Das Biounternehmen aus dem Allgäu schließt langfristige Verträge ab, die beiden Seiten Planungssicherheit geben. Kann ein Bauer weniger liefern, weil die Ernte schlecht war, zahlt Rapunzel denselben Preis – die Bauern können das Minus ausgleichen, wenn sie wieder höhere Erträge erzielen. Um die Produzenten nicht in Abhängigkeit zu bringen, legt Rapunzel zudem Wert darauf, nicht der einzige Kunde zu sein.
Klimaneutrale Schokolade vom Startup
Die Gru Grococo Schokolade von Rococo Choclates ist mit umgerechnet 16,50 Euro pro 100 Gramm die wohl teuerste Schokolade Großbritanniens, wenn nicht der Welt. Dafür ist sie komplett CO2-neutral. Lokale Bauern verarbeiten die Bohnen auf der Karibik-Insel Grenada mit einer solarbetriebenen Röst-Maschine. Nach Großbritannien gelangt die Schokolade per Segelschiff. Pro verkaufter Tafel erhalten die Bauern 60 bis 70 Prozent des Verkaufspreises. Natürlich koste ihre Schokolade mehr, doch das sei der reale Preis, wenn man Menschen und Natur nicht ausbeute, meint die Gründerin Chantal Coady.
Auch das Münchener Startup ChocQlate, das derzeit auf der Plattform Oneplanetcrowd Geld für die Bio-Zertifizierung eines kleinen Kakaobetriebes in Panama sammelt, sieht vor allem den guten Zweck: Es bietet bio-vegane Zutaten für Schokolade zum Selbermachen an.
Fazit:
Auf dem Kakaomarkt weht ein frischer Wind. Die Skandale um Kinderarbeit oder Ausbeutung, nicht zuletzt aber die Angst um die eigene Versorgung führen dazu, dass sich auch große Konzerne ernsthaft damit auseinandersetzen, wie sie die Lebensqualität der Kakaobauern verbessern können. Sie arbeiten dabei mit NGOs zusammen und lassen ihre Programme von unabhängiger Seite evaluieren, wie das Beispiel Mondelez zeigt. Damit seien auch die Unternehmen, die noch nicht komplett nachhaltig produzieren, auf dem richtigen Weg, konstatiert Beate Weiskopf vom Forum Nachhaltiger Kakao.
***
Weitere Informationen:
Welche Fortschritte die “Großen Drei” Nestlé, Mondelez und Mars in Bezug auf Geschlechter-Gerechtigkeit in den Anbaugebieten gemacht haben und wo sie nachjustieren müssen, zeigt dieser Oxfam-Report.
Auf dem Portal Rankabrand können Verbraucher überprüfen, wie nachhaltig der Süßwarenhersteller ihres Vertrauens wirklich ist.
Weiterlesen im Beitrag Naschen ohne Geschmäckle: Vier Ideen, wie Schokolade nachhaltiger wird